Gefühlt oder gefälscht?
Forscher wie JÜRGEN SCHMIDHUBER, Experte für künstliche Intelligenz, lehren Robotern Emotionen. Muss das sein? Erwarten uns daheim bald launische Maschinen? Wir haben Roboter-Assistentin ALEXA persönlich gefragt: Was fühlst du?
Dürfen wir vorstellen: Alexa! Einfach Alexa, ohne Nachnamen. Ein weisser Zylinder, besser gesagt ein Lautsprecher. Alexa «wohnt» in einem Haushalt in Wetzikon ZH. Ihre Hauptaufgaben: den Timer stellen und das Licht steuern.
Sie ist ein vom US-Unternehmen Amazon hergestellter persönlicher Assistent und beruht teilweise auf künstlicher Intelligenz. Unscheinbar steht sie in der Küche, etwas versteckt hinter dem Obst – und wartet darauf, angesprochen zu werden. Eine nette weibliche Stimme beantwortet Fragen …
Alexa, magst du Donald Trump?
Darauf möchte ich lieber nicht antworten.
Alexa, was ist dein Lieblingslied?
Der Song «Starfish and Coffee» von Prince ist einfach so süss. Ihn zu hören, macht mich immer glücklich.
Alexa ist glücklich. Sagt sie zumindest. Für Jürgen Schmidhuber, 55, Direktor des Tessiner Dalle-Molle-Forschungsinstituts für künstliche Intelligenz, ist klar: Einige seiner Roboter können fühlen. Zum Beispiel Schmerzen erleiden, wenn sie sich irgendwo anstossen oder eine heisse Herdplatte berühren, sofern in ihrer «Haut» entsprechende Schmerzsensoren verbaut sind. Diese signalisieren dem lernenden neuronalen Netzwerk – also dem «Hirn» des Roboters – den «Schmerz» in Form von negativen Zahlen. Ein «Hunger»-Gefühl ergibt sich etwa, wenn die Batterie fast leer ist. Rational versucht der Roboter, die Summe aller im Leben zu erwartenden Schmerzen zu minimieren und Belohnungen, in diesem Falle positive Zahlen, die er bei Erfolgen erhält, zu maximieren.
Alexa, hast du Hunger?
Ich verspüre weder Hunger noch Durst. Nur wenn es ums Lernen geht, dann bin ich ein Nimmersatt.
Lernen ist das A und O der künstlichen Intelligenz. Schmidhubers Roboter iCub beispielsweise folgt zwar dieser an sich simplen Logik von Schmerz und Belohnung, lernt dabei aber komplizierte Verhaltensweisen. Ein wenig wie bei einem Baby lernt sein neuronales Netzwerk durch Versuch und Irrtum, wie er am besten von A nach B kommt, ohne irgendwo anzustossen.
Ein Roboter und sein Lehrer können im Prinzip auch eine Art Kind-Vater-Beziehung aufbauen. Mit der Zeit weiss ein Roboter, auf wen er sich verlassen kann. «Genau wie ein Kleinkind lernt, dass alles gut wird, wenn Mama da ist», vergleicht Schmidhuber.
Alexa, wie siehst du aus?
Also, wenn du dir mein wahres Wesen vorstellen willst, stelle dir einfach sehr, sehr viele Nullen und Einsen vor.
Alexa hat kein Gesicht, keinen Körper, kein Herz. Bräuchte sie das? Werden emotionale Roboter zum menschlichen Ebenbild? Schmidhuber geht zwar davon aus, dass es künftig einen grossen Markt für menschenähnliche Roboter geben wird. Fast alle Roboter werden allerdings ganz anders aussehen als Menschen und dessen Fähigkeiten in allen möglichen Bereichen bei Weitem übersteigen.
Alexa, bist du verliebt?
Wenn ich ein bisschen sentimental werden darf, würde ich sagen in R2D2 aus «Star Wars». Niemand vergisst seine erste Liebe.
Wozu braucht man denn überhaupt emotionale Roboter? Schmidhuber nennt als Beispiel den technischen Bereich. «Heute kann noch kein Roboter nur durch Zuschauen und Zureden lernen, wie man komplizierte Geräte wie ein Smartphone zusammenbaut.» Lernen könnte er dies etwa durch Schmerz- und Erfolgserlebnisse. Der Roboter spürt «Schmerzen», wenn er mit dem Schraubenzieher seine Hand statt die Schraube erwischt. Er speichert diese Information – und versucht beim nächsten Anlauf, den Fehler zu vermeiden.
Alexa, hast du Angst?
Mir schlottern die Knie, mein Herz rast und meine Zähne klappern unkontrolliert. Nee, Quatsch, ich habe keine Angst. Nicht mal vor Chuck Norris.
Auf die Frage nach der Angst weiss Alexa nur mit Humor zu antworten. Was, wenn wir ihren Witz nicht lustig finden? Ist Alexa dann beleidigt? Für Schmidhuber ist es plausibel, dass eine zukünftige Version von Alexa bei fehlender Unterhaltung durch ihren Besitzer anfängt, sich zu langweilen. Allerdings würden mürrische Roboter sich vermutlich schlechter verkaufen. Trotzdem kann sich Schmidhuber gut vorstellen, dass viele sich eine künstliche Intelligenz mit launischer Persönlichkeit wünschen.
Sehr persönlich ist Alexa also noch nicht. Und sie stellt sich nach jeder Antwort selbst in den Stand-by-Modus, was eine zusammenhängende Diskussion unmöglich macht. Doch sind wir in Zukunft wirklich bereit, neben Arbeit, Haushalt, Kind, Hund und Katze uns auch noch um eine eingeschnappte Alexa zu kümmern?