Wie ist es, eine offene Beziehung zu führen?
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Treue, Kommunikation, Eifersucht – das sind Dinge, die eine Beziehung prägen. Doch welche Bedeutung bekommen sie, wenn sich zwei entscheiden, ihre Beziehung für andere zu öffnen? Drei inklusive Verliebte erzählen.
Kuscheln, küssen, intime Gespräche führen, Sex – und das nicht nur mit dem Partner: Drei Personen erzählen, weshalb sie sich für eine offene Beziehung entschieden haben, wieso die Beziehung zum Partner immer Priorität hat und wann der Zeitpunkt gekommen ist, Stopp zu sagen.
«Ich bin ständig eifersüchtig, aber das ist auch gut so»
Ich hab meine Freundin kennengelernt, als sie noch verheiratet war. Damals war ich einer ihrer Affären in ihrer offenen Beziehung mit ihrem Mann. Als sie sich scheiden liess und wir zusammen kamen, führten wir das Konzept der freien Liebe fort. Wir denken beide, wir wären in einer monogamen Partnerschaft zu sehr eingeschränkt.
Ich will andere Menschen kennenlernen, neue Verbindungen spüren. Aber das funktioniert nur, weil unsere Beziehung von Grund auf sehr stark ist. Totale Transparenz und eine gute Kommunikation ist das A und O. Und ja nicht etwas in sich hineinfressen.
Während meine Freundin eine tiefgründigere Verbindung zu anderen sucht, interessiert mich hauptsächlich das Physische. In meinen früheren Beziehungen ging ich oft fremd. Jetzt darf ich weiterhin erkunden, und in einer Beziehung sein – vorausgesetzt ich halte mich an folgende Regeln: Immer mit Kondom verhüten, keine gemeinsamen Freunde, niemand anders kommt zu uns ins Bett. Und danach sprechen wir über unsere Erfahrungen.
Meine Freundin fragt oftmals nach Details, ich weniger. Ob ich eifersüchtig bin? Ständig! Wenn ich es nicht wäre, wäre was falsch. Oft verbinden wir das Gefühl der Eifersucht mit etwas toxischem. Mit der Angst, den Partner zu verlieren. Aber für mich ist es das, was mich anspornt, noch mehr in unsere Beziehung zu investieren. Ich verstehe immer wieder neu, was meine Freundin braucht und so weiss ich: Niemand anderes kann ihr das geben. Uns zu trennen ist keine Option, und das teilen wir auch anderen mit. Aufhören würden wir wahrscheinlich, wenn wir eine Familie gründen. Dann soll die ganze Aufmerksamkeit den Kindern gelten.
Joao, 33 Jahre
«Ich wusste immer, die Liebe ist woanders Zuhause»
In unserem siebten Beziehungsjahr haben mein Mann und ich uns für eine offene Beziehung entschieden. Der Vorschlag kam von mir. Als Paar teilen wir sonst im Leben alles miteinander: Die Leidenschaft unseres Berufs, den Freundeskreis, die Konzertbesuche, das Kochen abends in der Küche. Ich wünschte mir einen «Raum» aus dem ich ausbrechen durfte. Etwas, das nur mir gehörte. Und das fand ich in «Mini-Affären». Regeln galten folgende: Erstens, wir erzählen uns nichts. Zweitens, keine Freunde. Und drittens – nicht verlieben, neh!
Für den Fall, dass der eine nicht nach Hause kommen sollte, hatten wir das Codewort «unterwegs» vereinbart – damit der andere sich keine Sorgen macht. Das kam jedoch schliesslich gar nicht zum Einsatz, da wir eher andere Leute trafen, wenn der Partner auf Reisen oder anders unterwegs und somit auch nicht zuhause war. Meine Männer habe ich meist mehrmals getroffen. Für mich war es wichtig, dass ich diese nicht nur äusserlich attraktiv fand, sondern auch intellektuell. Und dass wir auf einer Wellenlänge waren. So holte ich mir nebst dem Reiz des Neuen auch einen anderen Input – zu einem politischen Thema zum Beispiel. Und Sex mit anderen zu haben, gab mir noch mehr Lust mit meinem Partner zu schlafen.
Obwohl ich gerne das leichte Verknalltsein spüre, weiss ich immer: Die Liebe ist woanders zuhause. Mein Mann und ich vertrauen darauf, dass wir eine gute Basis sind und da nicht so schnell etwas dazwischen kommt. Mittlerweile haben wir geheiratet, eine Familie gegründet und leben wieder exklusiv. Ob wir unseren Cocon jemals wieder verlassen, werden wir sehen…
Anonym, 35 Jahre
«Ich dachte, wenn wir das schaffen, stehen wir alles durch»
Mein damaliger Freund besuchte ein Austauschsemester, als wir uns dafür entschieden, die Beziehung zu öffnen. Es schien uns ein guter Zeitpunkt, um diese Liebesform nach vier Jahren Beziehung auszuprobieren. Wir sind mit 19 und 20 Jahren zusammengekommen und ich wollte noch mehr erkunden.
Zwar wollte ich mit ihm eine Zukunft aufbauen, dennoch war ich neugierig auf Neues. Und ich dachte mir, wenn wir das schaffen, stehen wir alles durch. Unsere Regeln lauteten: Wir sprechen darüber und dürfen Fragen stellen, und Freunde sind Tabu. Falls sich durch wiederholende Treffen Gefühle für andere aufkommen, stoppen wir die Treffen. Rückblickend denke ich, dass ich da irgendwie das Single-Leben ausprobierte, ohne bei einer allfälligen Trennung ins kalte Wasser springen zu müssen. Das ganze brachte Aufregung und eine neue Dynamik in unsere Beziehung. Ich fühlte mich mächtig und sah die Welt irgendwie mit anderen Augen. Und plötzlich führten wir sehr ehrliche Diskussionen.
Als das Austauschsemester vorbei war, haben wir unsere Beziehung wieder geschlossen. Das war dann fast komisch, sich wieder nur auf den Partner zu fokussieren. Dass wir uns nur wenig später trotzdem getrennt haben, hatte mit der offenen Beziehung nicht viel zu tun. Und ich bin offen, diese Beziehungsform auch in Zukunft wieder zu versuchen.
Lisbet, 26 Jahre