Am Puls(e) Kenias

Am Puls(e) Kenias

Photos: Sven Torfinn

Seit einem Jahr ist Ringiers afrikanisches Nachrichtenportal «Pulse Live» auch in Kenia präsent. Ob bei politisch brisanten Ereignissen oder bei Strassenumfragen in Nairobi: Man ist live dabei. Und damit die User liken, diskutieren und teilen, setzt man auf die sozialen Medien – mit Erfolg.

Umringt von einem Dutzend Män­ nern steht Caroline Njoroge, 26, mit ihrem Mikrofon in der Hand da. Die Moderatorin von «Pulse Live Kenya» ist für eine Strassenumfrage in Nairobi zwischen den Stadtteilen Satellite und Kawangware unter­ wegs. «Welchen Regeln folgt deine Ehefrau zu Hause?», fragt sie einen jungen Mann. «Ich denke nicht, dass es Regeln gibt. Heutzutage geht es um Kommunikation und Verständ­ nis», antwortet er ihr in Swahili. Die anderen Männer schauen Video­ journalist Musa Chahare, 30, derweil über die Schulter in den kleinen Kamerabildschirm und lauschen aufmerksam dem Interview.

Die Leute auf Nairobis Strassen kennen Caroline schon, sie nennen sie «The Pulse Lady». Sie und ihr Kameramann Musa sind Teil des zwöl öp gen Video­Teams bei «Pulse Live Kenya». Drei Mal die Woche dreht das Team morgens

Videomaterial für einen witzigen Zusammenschnitt für Facebook, Twitter, Instagram und Youtube. Nachmittags sind sie mit weiteren (Scherz­)Fragen, wie zum Beispiel «Was kannst du auf einem Pankreas (eine Bauchspeicheldrüse, die Red.) kochen?», auf den Strassen der kenianischen Hauptstadt – und live auf Facebook zu sehen.

In diesen Tagen beherrscht aber harte Politik die Agenda: Oppositi­ onsführer Raila Odinga schwört seinen «Amtseid» und ernennt sich selbst zum «Volkspräsidenten». Die Regierung hat deswegen alle Privat­ fernsehsender, die das Ereignis übertragen wollten, abgeschaltet. Es ist ein besonderer Tag nicht nur für Nairobi, sondern für die gesamte Medienlandschaft Kenias. Nur noch Livestreams funktionieren. Und ge­ nau das bietet «Pulse Live Kenya». Kameramann Musa ist als Video­ journalist vor Ort und streamt die auf Facebook. An diesem Tag er­ reicht das Nachrichtenportal seine Höchstzahl an Nutzern: 900 000 Zuschauer verfolgen live dieses poli­ tisch brisante Ereignis! Auch für die Co­Leiterin des Social­Media­Teams, Sa na Okumu, 25, ist es beeindru­ ckend: «Weil die TV-Stationen abgeschaltet sind, suchen sich die Leute ihre News auf Social Media. Mit Facebook Live sind wir präsent. Dazu verö entlichen wir immer wieder Zitate aus der Rede Odingas, und die Journalisten produzieren zusätzlich Artikel, die die Geschehnisse erklä­ ren und einordnen.»

Sa na Okumu war schon in der Redaktion, als die sozialen Kanäle von «Pulse Live Kenya» im Januar 2017 starteten und noch keinen ein­ zigen Follower hatten. «Es ist schön zu sehen, wie unser Medium so schnell gewachsen ist. Am Anfang feierten wir 17 Likes, mittlerweile sind wir bei 500 000.»

Die sozialen Medien sind eines der wichtigsten Verbreitungsmöglich­ keiten für «Pulse Live Kenya». Bis zu 75 Prozent der Leser kommen durch soziale Netzwerke auf die Seite. Die Strategie von «Pulse»: Nutzer sollen so oft wie möglich am Geschehen teilhaben. Likes abgeben. Kommentieren. Teilen. «Bei Face­ book Live sprechen wir unsere Zu­ schauer immer direkt an. Denn diese Personen werden beim nächsten Mal auch wieder da sein», erklärt Sa na.

Die Redaktion von «Pulse Live Kenya» be ndet sich an der Othaya Road 36, im Stadtteil Kileleshwa. Die Redaktion be ndet sich in einem von Sicherheitsleuten bewachten Wohn­ haus, eingerichtet mit Tischen und Bürostühlen, die sich trotz Rollen kaum bewegen lassen. Die Stimmung im Team ist produktiv, kreativ – und fröhlich. Im Erdgeschoss sitzen die Journalisten, das Social­Media­ und Sales­Team nahe beieinander. Im ersten Stock nden das Video­Team, das dazugehörige TV-Studio und das Finanzteam Platz. Aus der Küche im Parterre dringt schon vormittags der Geruch von Feuer. Köchin Dolly, 32, bereitet Ugali zu. Der Getreidebrei aus Maismehl ist eine kenianische Spezialität.

Am Tisch der Journalisten wird heftig diskutiert. Ein Reporter und seine Kollegin lehnen sich über den Tisch, fuchteln wild mit den Armen. Die Debatte wird auf Englisch und Swahili geführt. So laut, dass selbst der laufende Fernseher nicht mehr zu hören ist. Plötzlich krümmen sich die zwei «Streithähne» vor und lachen. Ehe sie genauso laut weiterde­ battieren. Es geht um einen Post auf Instagram, auf dem sich Zawadi Nyong’o nackt zeigt. Sie ist im Land eine (kleine) Berühmtheit und die äl­ tere Schwester von Lupita Nyong’o. Diese gewann 2014 für den Film «12 Years a Slave» den Oscar als beste

Nebendarstellerin. «Würde sie sich für einen guten Zweck nackt zeigen, wäre das ja okay. So aber will sie nur Auf­ merksamkeit.» Seine Kollegin aus dem Social­Media­Team kontert: «Lass sie ihren schönen Körper zeigen, wenn sie das will.» Anyway. Abrupte Stille. Als hätten sie für eine Minute auf ei­ nen Pausenknopf gedrückt, beginnt die Debatte wieder von vorne. Lachen. Geschrei. Gefuchtel.

So ist es hier jeden Tag, nur die Diskussionsthemen variieren. Mal gehts um Politik, mal um Beziehun­ gen oder einfach nur Sex. Eigentlich ist es heute ein ruhiger Tag. Die Jour­ nalisten konzentrieren sich auf ihre Artikel. Jeder von ihnen schreibt täglich mindestens fünf Beiträge in den Bereichen News, Politik, Unterhaltung und Lifestyle.

Stolz auf ihr Team ist Leonie von Elverfeldt, 33. Die Hamburgerin wurde von der deutschen «Bild»­ Zeitung abgeworben und zog ver­ gangenen April nach Nairobi. Zu diesem Zeitpunkt ist «Pulse Live Kenya» noch ein kleines Baby mit zwölf Mitarbeitern. «Heute sind wir 45!», sagt von Elverfeldt, Director Digital Publishing East­Africa. Kenia ist nach Nigeria und Ghana das dritte Standbein der «Pulse»­Marke. «Wäh­ rend dem vergangenen Jahr konnten wir uns an unsere zwei Vorreiter­ länder dranhängen, besonders bei den Videoformaten haben wir viel übernehmen können. Jetzt müssen wir unsere eigene Stimme nden.» Jung und cool sollen sie daherkom­ men. Die Leser sollen Neues erfah­ ren, aber auch unterhalten werden. Angesprochen ist ein Publikum zwischen 18 und 35. Da passt es, dass die Redaktion jung aufgestellt ist. Wer bei «Pulse» arbeitet, ist mindes­ tens 20 und maximal 43 Jahre alt. Die User setzen sich im Moment aus 55 Prozent Männern und 45 Prozent Frauen zusammen. Auch im Team sind die Frauen und Männer fast gleich stark vertreten.

Im ersten Jahr kam dem Team zugute, dass die Wahl des keniani­ schen Präsidenten Uhuru Kenyatta wiederholt werden musste. «Dadurch stieg unser Tra c sehr schnell an», sagt die Deutsche. Ausser «Pulse» in Nigeria und Ghana zählt auch das Schweizer Nachrichtenportal Blick.ch zum Vorbild für die Kenia­ ner. Und zwar was Layout, Inhalt und Textlänge betri t. «Wir produzieren für die mobile Generation. Die ist hier viel grösser als in Europa.» Der Auf­ bau schreitet mit jedem Tag weiter voran. «Pulse Live Kenya» kooperiert bereits mit der US-Nachrichtenseite «Business Insider» sowie der «New York Times». Einerseits erreichen diese Medien dadurch ein neues digitales Publikum, anderseits pro ­ tiert die afrikanische Leserschaft von preisgekrönten Berichterstat­ tungen. «Da kommen sicherlich noch mehr. Viele Marken wollen sich in Afrika versuchen. Ausserdem den­ ken wir über viele weitere Geschäfts­ modelle nach», sagt von Elverfeldt.

Momentan bekommt «Pulse Live Kenya» noch nanzielle Unterstüt­ zung aus der Muttergesellschaft Ringier Schweiz. Künftig soll sich das Portal aber komplett aus Werbe­ einnahmen nanzieren.

Pulse­Beiträge müssen für kenia­ nische Endkunden angepasst wer­ den. Darin sind sich Journalist Fred

Kiarie, 30, und Branded­Content­ Experte Alan Mwangi, 26, einig. «Kenianer interessieren sich vor al­ lem für lokale Nachrichten, aus inter­ nationalen News machen sie sich eher weniger», so Fred. Das sei die grösste Herausforderung im keniani­ schen Markt. «Nur weil etwas in Europa, Südafrika oder Nigeria cool ist, mögen es die Kenianer nicht automatisch. Wir konzentrieren uns auf unsere eigene Identität», sagt Alan.

 

Pulse:

Die Ringier Tochtergesellschaft Ringier Africa Digital Publishing mit der Haupt- publikation Pulse bietet Informationen und Unterhaltung insbesondere in den Bereichen News, Musik, Filmen, Events und Sport für den afrikanischen Massen- und Mobilnutzermarkt und hat eine Reichweite von monatlich 135 Millionen Konsumenten. Die Plattform ist in Kenia, Nigeria und Ghana präsent und produ- ziert auch Inhalte in Tansania, Uganda, dem Senegal und der Elfenbeinküste.

Im Rahmen von Kooperationsvereinba- rungen hält Pulse auch die Lizenzen für die «New York Times» und «Business Insider» in diesen Märkten.

Domo, März 2018

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