Ganz schön engagiert

Ganz schön engagiert

Photos: Nicolas Righetti

Diese Ärztin bringt die Menschen zum Strahlen. In Laos setzt sich die ehemalige Miss Schweiz LAETITIA GUARINO als Botschafterin des Schweizerischen Roten Kreuzes für junge Mütter ein.

Kalia Tong, 29, hält ihr jüngstes Mädchen, Mai Xiong, auf dem Arm. Die Kleine strahlt, obwohl ihre Beinchen unnatürlich steif wirken. «Meine Tochter ist zweieinhalb und kann immer noch nicht gehen», sagt Kalia Tong zu Laetitia Guarino, 26. Diese will wissen, wie denn die Geburt verlaufen sei. «Es hat furchtbar lange gedauert», erzählt die vierfache Mutter. Die Miss Schweiz von 2014 nickt mitfühlend.

Als neue Botschafterin ist Laetitia Guarino mit dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) in Laos unterwegs. Gemeinsam mit einer medizinischen Brigade besucht sie im südostasiatischen Land Projekte für die Gesundheit und Nachsorge von Müttern und Kindern. Hier kann Guarino mithelfen.

Im Oktober letzten Jahres hat die Lausannerin ihr Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen. In der Schweiz arbeitet sie heute auf der Notfallstation des Universitätsspitals Lausanne.

Im 350-Seelen-Dorf Pou Nang Nag im Norden des Landes sind Laetitias Fähigkeiten Gold wert. Kalia Tong bittet sie um Hilfe und drückt ihr Mai Xiong in den Arm. Besorgt schaut sich Guarino den kleinen schlaffen Körper an. Sie hat sofort einen Verdacht: «Die Kleine hat vermutlich bei der Geburt zu wenig Sauerstoff bekommen.»

In Laos gebären viele Frauen immer noch ohne fachliche Unterstützung zu Hause. Mit 197 Todesfällen auf 100 000 Geburten ist die Müttersterblichkeit fast 40-mal höher als in der Schweiz. Das SRK hat geholfen, mehrere Gesundheitszentren im Norden des Landes aufzubauen oder zu verbessern. Mit dieser Hilfe hat sich die Zahl der Heimgeburten in den letzten Jahren praktisch halbiert.

Wie nötig dieser Einsatz ist, zeigt sich am Beispiel von Kalia Tong. Weil die nächste Gesundheitseinrichtung eineinhalb Autostunden entfernt liegt, hat sie alle ihre drei Kinder zu Hause zur Welt gebracht. Neben der Distanz spielt auch das Finanzielle eine Rolle: Je länger werdende Mütter im Spital bleiben, desto mehr Arbeitstage versäumen sie auf dem Reisfeld.

Um die medizinische Grundversorgung für diese Frauen zu sichern, gibt es nun mobile Teams, die monatlich die abgelegenen Dörfer besuchen. Heute steht dem Team aus Hebamme, Pflegepersonal und Freiwilligen mit Guarino eine Ärztin aus der Schweiz zur Seite. Sie hilft, die Kleinen zu messen und zu wägen. Für die Frauen gibt es eine Familienberatung mit Verhütungstipps und eine pränatale Kontrolle und Nachsorge. Dort trifft Guarino auf Kalia Tongs Nachbarin: Houa Ga Kou ist mit ihrem dritten Kind im achten Monat schwanger. Die 24-Jährige zeigt Laetitia, wie sie das Futter für die Babyschweine vorbereitet, über ihre Schwangerschaft spricht sie wenig. Bisher hat sie zwei pränatale Kontrollen gehabt.

Für Houa Ga Kou ist der Kontakt mit dem Ärztepersonal nicht einfach. Sie ist schüchtern und mag es nicht, sich zu entblössen. Für die Hebammen, die mit dem mobilen Team unterwegs sind, ist das eine von vielen Herausforderungen.

Da die Grundausbildung mangelhaft ist, investiert das SRK auch in die Weiterbildung des Pflegepersonals – und in Hilfsmittel wie etwa das Ultraschallgerät. Hebamme Nid Viengphim, 35, sagt: «Früher konnten wir das ungeborene Kind nicht genau untersuchen. Jetzt kann ich schwangere Frauen viel besser unterstützen.»

Stolz zeigt sie Laetitia Guarino, die während ihrer medizinischen Ausbildung auch auf der Gynäkologie gearbeitet hat, das neue Hilfsmittel. «Dank meiner Weiterbildung haben Frauen jetzt viel mehr Vertrauen zu mir, und mit dem Ultraschallgerät kann ich in Notfällen schneller Hilfe leisten», so Viengphim. Das zeigt auch die markant steigende Zahl von betreuten Geburten in den beiden Distrikten, in denen sich das SRK engagiert.

Kasia Fong, 30, wusste aufgrund der Voruntersuchungen, dass es bei der Geburt ihres vierten Kindes Probleme geben könnte. Kurz bevor die Wehen einsetzten, verspürte sie Bauchschmerzen und hatte Blutungen. «Ich hatte Angst zu sterben», erzählt sie. Da es hier kaum Ambulanzen gibt, rief sie das SRK um Hilfe und beschloss dann, zusammen mit ihrem Mann Lao Fong, 33, mit dem Motorrad die holprige Strasse Richtung Tal zu fahren. Die anderen Kinder liess sie bei der Schwiegermutter. Auf halbem Weg holte sie das Auto des SRK ab und brachte das Ehepaar Fong ins Spital. Ihre Tochter Chue kam gesund auf die Welt. «Ich war dankbar, nicht alleine zu sein», sagt Kasia Fong.

Laetitia Guarino freut sich über das glückliche Ende der Geschichte. Aber sie schüttelt nachdenklich den Kopf. «Was wäre wohl passiert, wenn keine Hilfe gekommen wäre? Wir sollten alle Zugang zu einem Gesundheitszentrum haben.»

Heute ist Chue sechs Monate alt und entwickelt sich bestens.

Auch Kalia Tong hofft, dass es ihrer Tochter Mai Xiong künftig besser geht. Guarino nimmt die Zweieinhalbjährige nochmals auf den Arm. «Das Leben für ein behindertes Kind ist hier kaum vorstellbar.»

Das SRK hilft Mutter und Tochter, organisiert ihnen Termine im Spital. «Die Vorgehensweise des Schweizerischen Roten Kreuzes ist aus medizinischer Sicht sinnvoll», sagt Guarino. Und sie sei froh, dass sie diese Arbeit mit ihrem Einsatz unterstützen kann. «Es ist mir wichtig, dass ich wirklich etwas bewirke.»

Schweizer Illustrierte, 1. März 2019

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