«Ich bin wie ein Blatt im Wind»

«Ich bin wie ein Blatt im Wind»

Foto: Gilles Bensimon, Paris Match, Contour by Getty Images

Topmodel, Musikerin und Première Dame: Das Leben von CARLA BRUNI ist wie ein Märchen. Jetzt singt die Ehefrau von Nicolas Sarkozy in Zürich bei den Sports Awards. Sie liebt die Schweiz – dank Mama!

Das Telefon klingelt. «Bonjour!» Die ehemalige Première Dame ist am Apparat. Ich weiss gar nicht, wie ich sie nennen soll. Frau Bruni? Oder Frau Sarkozy? Wir einigen uns auf Bruni, ihren Künstlernamen. Was für eine Ehre, mit ihr das Interview zu führen. «Ganz meinerseits», sagt sie. Ich bin geschmeichelt.

Madame Bruni, Sie kommen für die Credit Suisse Sports Awards nach Zürich. Kennen Sie die Schweiz?
Meine Eltern haben lange Zeit in der Schweiz gewohnt. Meine Mama lebt jetzt noch mit meiner Tante in einer Wohnung in Crans-Montana. Sie sind 87 und 91 Jahre alt und sehr glücklich dort.

Treiben Sie als Ex-Model Sport?
Ja, mindestens eineinhalb Stunden am Tag. Ich mache Cardio, ein bisschen Muskeltraining, Yoga und Pilates.

Da bin ich jetzt überrascht. Ich habe gelesen, Sie fänden Sport fürchterlich langweilig.
Nein, nein. Aber manchmal muss ich mich dazu zwingen (lacht).

Schauen Sie Sport im Fernsehen?
Überhaupt nicht! Mein Mann hingegen schaut gerne Fussball. Er ist ein grosser Fan von Paris Saint-Germain.

Sport liegt Carla Bruni-Sarkozy also nicht, Musik aber schon. Mit elf Jahren bekam sie ihre erste Gitarre, und 15 Jahre ist es nun her seit ihrem Debütalbum. Für ihr neues, «French Touch», eine reine Cover-Version mit Songs von Stones, Abba und AC/DC, singt sie zum ersten Mal auf Englisch. Das Experiment scheint gelungen zu sein. Ihr früherer Liebhaber Mick Jagger, schrieb auf Twitter, dass ihm die neue Version seines Lieds «Miss You» gefalle.

Madame Bruni, in Ihren Liedern sind Sie sehr nostalgisch. Vermissen Sie die alten Zeiten?
Nein, eigentlich nicht. Aber ich mochte meine Jugend.

Inspirierte Sie Ihre Jugend auch bei der Auswahl der Songs?
Als Teenager habe ich das Lied «Enjoy the Silence» von Depeche Mode zum ersten Mal am Radio gehört. Als ich zu Hause war, versuchte ich sofort, die Akkorde auf der Gitarre nachzuspielen. Ich spiele das Lied bis heute. So ist das ganze Album entstanden.

Haben Sie ein Ritual, bevor Sie auf die Bühne steigen?
Ich trinke ein Bier. Ansonsten versuche ich, mich zu konzentrieren und meine psychische und körperliche Energie zu bündeln.

Sie schreiben Ihre Lieder nachts. Warum?
Ich kann mich besser konzentrieren, wenn es ruhig ist. Aber ich habe Kinder. Deswegen schlafe ich von zwei bis sieben Uhr morgens. Dann bringe ich sie zur Schule, und wenn ich kann, mache ich einen Mittagsschlaf. Aber das geht nur, wenn ich nicht auf Tournee bin.

Bevor Carla Bruni als Chansonnière durch die ganze Welt reiste, gehörte sie zu den bestbezahlten Topmodels der 90er-Jahre.

Vor Kurzem standen Sie wieder mit Claudia Schiffer, Cindy Crawford und Naomi Campbell auf dem Laufsteg. Wie war es, mit Ihrer Modefamilie vereint zu sein?
Auch wenn ich die Modewelt nicht wirklich vermisse – es war ein sehr emotionaler Moment. Cindy hatte ich vor 25 Jahren zum letzten Mal gesehen!

Sie haben die Modewelt vor 20 Jahren verlassen …
Ich habe nicht das Gefühl, sie verlassen zu haben. Ich bin zwar kein Mannequin mehr, aber gefühlsmässig gehöre ich immer noch dazu. Mode wie auch Musik gehören zum Showbiz.

Bruni galt als polygame Männerverführerin. Neben Mick Jagger hatte sie Liaisons mit Eric Clapton, Vincent Perez und Raphaël Enthoven. Mit Letzterem bekam sie ihren Sohn Aurélien, 16. Nicolas Sarkozy, den französischen Staatspräsidenten, lernte sie 2007 kennen. Im Jahr darauf heirateten die beiden im Elysée-Palast, und 2011 brachte Carla Bruni die gemeinsame Tochter Giulia, heute 6, zur Welt.

Wie wichtig ist Ihnen, Ihr Privatleben von Ihrer beruflichen Welt zu trennen?
Sehr! Das ist klar getrennt. Aber wenn Giulia und Aurélien Ferien haben, schaue ich, dass sie mit auf Tournee kommen.

Ihre Tochter Giulia sei genau wie Ihr Ehemann. Und er habe in ihr seinen Meister gefunden. Wie meinen Sie das?
Sie ist unsere kleine Prinzessin. Giulia ist vom Charakter her Nicolas sehr ähnlich – sie hat viel Energie und Charme. Und sie mag Süsses – genau wie er!

Ihre Tochter soll sehr musikalisch sein. Das hat sie von Ihnen!
Das stimmt. Sie singt die ganze Zeit. Aber wer weiss schon, wo sie später landen wird.

Was für Pläne haben Sie für die Zukunft?
Darüber mache ich mir keine Gedanken. Das bringt nichts! Das Leben ist voller Überraschungen, und ich spare meine Energie lieber, um mich den gegebenen Situationen anzupassen.

In der Affäre Harvey Weinstein haben auch Sie sich zu Wort gemeldet. Wieso?
Zum Glück wurde ich nie sexuell belästigt. Aber ich finde es gut, dieses Thema anzusprechen, denn dieser Skandal macht den Frauen Mut. Und ich rate meiner Tochter: aufzupassen, die Augen offen zu halten, die Leute zu erkennen, die wie Raubtiere sind.

Sie sagen, seit Ihr Mann nicht mehr französischer Staatspräsident ist, seien Sie glücklicher denn je.
Nicolas hat eine tolle Politkarriere hinter sich. Aber ich vermisse die Zeit als Première Dame nicht. Denn ich setze mich nur mit Politik auseinander, wenn es um ihn geht. Mir ist nur wichtig, dass meine Kinder und Familie gesund sind und dass wir Arbeit haben. Das ist «formidable»! Das reicht doch schon.

Sie haben gesagt, in einem anderen Leben wäre Ihr Mann Prophet oder Priester geworden. Was wären Sie?
Das sagte ich, weil er so gut zu Menschen sprechen kann – als Witz! Ich würde vieles gerne machen. Ich wäre gerne Ärztin, Köchin, Gärtnerin oder Malerin geworden, aber dafür fehlt mir leider das Talent.

Haben Sie es denn versucht?
Ich habe versucht zu malen, aber das Resultat war zum Totlachen (lacht).

Sie blicken auf eine erfolgreiche Karriere zurück: Sie waren Topmodel, Première Dame und sind eine bekannte Musikerin …
Das war Zufall, ich hatte Glück. Ich habe nicht wirklich das Gefühl, viel erreicht zu haben. Ich wurde doch einfach vom Leben getragen, wie ein Blatt im Wind. Ich bin nicht Mozart. Aber ich möchte weiter Songs schreiben.

Am 23. Dezember werden Sie 50. Ist eine grosse Party geplant?
Ich werde wahrscheinlich einfach ein paar Freunde ins Restaurant einladen.

Tags darauf ist Heiligabend.
Ja, leider (seufzt). Das ist das Schicksal der Steinböcke. Wir gehen ein bisschen vergessen. Aber da meine Tochter noch sehr klein ist, feiern wir ganz klassisch zu Hause in Paris. Zu zweit haben wir fünf Kinder, und ich hoffe, dass alle dabei sind.

Schweizer Illustrierte, 24/11/2017

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