«Papa, du bist meine Nummer 1»
Interview: Pauline Broccard und Karin El Mais
Fotos: Thomas Buchwalder
Der Sportmoderator Rainer Maria Salzgeber, 48, traut seinen Augen nicht. «So herausgeputzt habe ich meine Tochter noch nie gesehen! Ach, mein Cloli ist eine Frau geworden.» Stolz zückt er sein Smartphone: Klick! Klick! «Papa, fertig jetzt», mahnt Cloé Salzgeber, 16. Sie posiert an einem Sonntagmorgen im Klub Mausefalle in Zürich für die Schweizer Illustrierte. Selbstbewusst und als hätte sie nie etwas anderes gemacht, strahlt die Schülerin in die Kamera, obwohl das ihr erstes Mal ist. Aber mit Papa an der Seite geht alles ganz einfach.
Cloé Salzgeber, für die Laureus Charity Night stehen Sie beide zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne. Welche Charaktereigenschaften haben Sie von Ihrem Vater geerbt?
Ich bin sehr unterhaltsam, offen und gehe gern auf Leute zu. Ich bin diejenige, die sich in der Schule freiwillig meldet, gern Vorträge hält. Das ist sicher eine Eigenschaft, die ich von Papa geerbt habe.
Rainer Maria Salzgeber: Erinnerst du dich? Du bist damals zu mir gekommen und hast gesagt: «Papa, ich will das Gleiche machen wie du.» Sie: Das ist lange her (lacht). Aber schon als kleines Mädchen war es für mich klar, dass ich moderieren will. Mein Bruder Jascha und ich haben zu Hause immer Shows gemacht und wie Papa mit Mikrofon kommentiert.
Sportevents oder Unterhaltungsshows?
Sie: Viel Sport.
Er: Jascha ist dreizehn und extrem sportverrückt. Sport hat bei uns zu Hause schon immer eine Rolle gespielt. Der Waschzuber war das Goal, und ihr habt im Flur den Ball hin- und hergeschossen und dazu kommentiert.
Später waren Sie beim SRF-Jugendsender Zambo.
Sie: Mit elf war ich Kinderreporterin. Ich habe zum Beispiel den damals neuen Nintendo ausprobiert, war an den Swiss Indoors und beim Training mit der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft. Das fand ich super, aber irgendwann war ich leider zu alt (lacht).
Jetzt machen Sie eine Ausbildung in Richtung Pädagogik an der Fachmittelschule in Winterthur. Das ist etwas ganz anderes.
Sie: Ja, ich bin im zweiten Jahr. Die Ausbildung zur Lehrerin ist mir momentan wichtiger. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, später in die Fussstapfen von Papa zu treten.
War es Ihnen als Kind manchmal peinlich, dass Ihr Vater und somit auch Ihre Familie in der Öffentlichkeit stehen?
Sie: Logisch hat es immer viele Kommentare gegeben, aber ich bin so aufgewachsen und kenne es nicht anders.
Hat Ihr Vater mit Ihnen Hausaufgaben gemacht?
Er: Ich dachte, das sei ein Doppelinterview! Brauchts mich überhaupt? (Alle lachen.)
Sie: Hausaufgaben sind Mama-Sache. Papa kommt da eher selten zum Einsatz. Höchstens Geschichte oder wenn es um kreative Arbeiten geht.
Er: Es stimmt, in der Schule war ich im Rechnen eine Nullnummer. Ich habe mir mit anderen Fächern ein Polster geschaffen. Mein Motto hiess: Überleben. Meine Stärken waren hingegen Sprachen.
Sie: Das habe ich von dir!
Sind Sie beide immer gleicher Meinung?
Sie: Ich glaube, ich habe schon meinen eigenen Kopf, oder, Papa?
Er: Das soll auch so sein. Ich kann dir zwar sagen, wenn du es so machst, schlägst du dir den Kopf an. Aber das musst schlussendlich du entscheiden.
In der Pubertät verändern sich die Kinder, und sie fangen an, ihren eigenen Weg zu suchen, sie rebellieren.
Er: Da kommt ihre Mutter ins Spiel, die als Innenministerin die Kinder im Griff hat. Und ich als Aussenminister das mit grosser Freude zur Kenntnis nehme. Nein, im Ernst. Es ist ein Traum, wie das läuft. Was nicht heisst, dass man keine eigene Meinung haben darf. Und Cloé kann diese meistens mit guten Argumenten verteidigen.
Aber sicher gibts auch Meinungsverschiedenheiten?
Er: Klar! Es wäre verheerend, wenn man immer gleicher Meinung wäre. Ich bin mehr als dreissig Jahre älter und habe eine andere Ausgangslage. Das macht es doch spannend. Aber es war nie so, dass wir einen grossen Streit gehabt hätten. Wir sprechen über das Problem, und ich sage dann höchstens mal «Herrgott nochmal» – und ganz wichtig: Man nimmt sich danach immer in die Arme.
Sie: Diskussionen gibts eigentlich nur wegen dem Natel.
Er: Ja, weil du es viel zu dunkel eingestellt hast. Das Licht auf dem untersten Level, nur damit sie nicht viel Akku braucht. Das ist so schädlich für ihre Augen. Aber es ist mir klar, dass ein Handy zur Welt der Jungen gehört und man sich dieser Entwicklung nicht widersetzen kann.
Sie: Dabei brauchst du das Natel am meisten von uns allen.
Er: Das gehört zum Job. Und wenn ich unterwegs bin, rufe ich meine Frau sicher zehnmal pro Tag an. Oder ich frage die Kinder, wie die Prüfung gelaufen ist. Aber zu Hause versuche ich, es so wenig wie möglich zu benützen.
Wenn Sie einen Rat brauchen, wann gehen Sie eher zu Papa, wann zu Mama?
Er: Du kannst ruhig ehrlich sein. Du gehst mit fast allem zuerst zu Mama. Ihr seid nicht nur Mutter und Tochter, ihr seid enge Freundinnen.
Sie: Meine Mutter ist auch mehr zu Hause, aber für mich sind beide genau gleich wichtig.
Er: In unserer Familie und mit meinem Job lässt sich die Rollenverteilung nicht anders einrichten. Meine Frau Chantal hat immer gesagt: «In der Phase, in der unsere Kinder ihre Mutter brauchen, bin ich für sie da.» Und ich bin davon überzeugt, dass die Zinsen gigantisch sind, welche dir die Kinder, in die du investiert hast, zurückgeben. Das gibt es weder auf der Bank noch in Aktien.
Was haben Sie als Vater in Ihre Kinder investiert?
Er: Eigentlich alles. Mich gibt es beruflich oder mit meiner Familie. Es ist nicht so, dass ich mit Kollegen golfen gehe oder in den Ausgang. Wenn ich zu Hause bin, gehört meine Zeit der Familie. Sei es ein gemeinsames Nachtessen, Tennis, Golf spielen oder Ferien. Wir waren mal fünf Wochen mit einem Wohnmobil in Amerika unterwegs, das war fantastisch.
Haben Sie je gedacht, dass Ihr Mädchen mal in Ihre Fussstapfen treten wird?
Er: Ich war überzeugt. Ich bin mittlerweile lange genug in der Branche und weiss, dass Cloé die Voraussetzungen und das Talent mitbringt. Aber sie musste es immer selber wollen. Das hat damals bei Zambo angefangen. Sie sagte mir, sie wolle dort moderieren, und ich habe aus Spass gesagt: «Dann musst du eine Bewerbung schreiben.» Zwei Tage später zeigte sie mir eine riesige Bewerbung, handgeschrieben.Dann habe ich mein Versprechen natürlich eingelöst. Ich bin zum Zambo-Chef, habe ihm ihre Bewerbung in die Hand gedrückt und gesagt: «Das ist meine Tochter, schau es dir an.»
Wie werden Sie sich für Ihren gemeinsamen Auftritt an der Laureus Charity Night vorbereiten?
Sie: Bis jetzt noch gar nicht (lacht)! Er: Ich habe das ja schon x-mal gemacht. Wir spielen die Texte und den Ablauf in den kommenden Tagen ein paarmal durch. Aber sie soll es nicht auswendig lernen. Sie: Ich muss schon auch ein Mitspracherecht haben. Das ist dir schon klar, oder Papa?
Er: Sicher!
Sie: Wir haben das noch gar nicht diskutiert, aber wir sollten die Moderation vielleicht zweisprachig machen. Zum Publikum spreche ich auf Züridütsch, und wenn ich mit dir spreche, wechsle ich auf Walliserditsch.
Er: Unbedingt! Und nicht zu vergessen die fremdsprachigen Interviews.
Das trauen Sie sich zu? Ein Interview in Englisch?
Sie: Englisch ist sicher kein Problem. Ich habe in der Schule schon sehr lange Englisch und seit acht Jahren zusätzlich noch einmal pro Woche Privatunterricht.
Das Motto der diesjährigen Laureus-Nacht ist: Stärke. Wo sehen Sie Ihre persönlichen Stärken, Cloé?
Sie: Dass ich nicht schüchtern bin …
Er: … und du bist so zielstrebig und geradlinig. Du sagst immer, was du denkst. Das hast du von deiner Mutter!
Sie: Wir ticken halt ganz ähnlich.
Schwächen?
Sie: Ich studiere manchmal zu viel. Ich bin ein Kopfmensch.
Er: Dass du 700-mal das Gleiche lernst! Du bist viel zu gewissenhaft!
Sie: Und du kannst keine Minute ruhig sitzen.
Er: Ich bin ein 7-Tage-24-Stunden-Mensch. Und das fordert manchmal meine Umwelt heraus. Dann ist meine Frau der Katalysator und bremst mich: «Hey, jetzt etwas langsamer. Lass sie chillen.» Es ist ja nicht so, dass ich es ihnen nicht gönne, aber daliegen und nichts machen, das kann ich einfach nicht.
Was haben Sie von Ihrer Mutter geerbt?
Sie: Das Aussehen (lacht).
Er: Zum Glück! Zum grossen Glück!
Ihre Tochter hat einen Freund. Was ist das für ein Gefühl?
Er: Null Problem.
Sie: (Lacht.) Genau!
Er: Nein, stopp! Ich habe immer aus Witz gesagt, dass wenn du einen Schatz nach Hause bringst, er zuerst ein dreiseitiges Formular ausfüllen muss (lacht). Jetzt bin ich halt nur noch die Nummer 2 oder die 1b. Nein, im Ernst. Ich sehe doch, wie glücklich meine Tochter ist. Und das gehört nun mal zum Erwachsenwerden.
Sie: Papa bleibt immer die Nummer 1, er bleibt der King!
Und wenn sie Liebeskummer hätte und nicht mehr so glücklich wäre?
Sie: Da kommt Mama ins Spiel.
Was würden Sie Ihrem Vater nie erzählen?
Er: Aufpassen, was du jetzt sagst.
Sie: Ja, wenn wir Frauenthemen haben.
Er: Letztens habe ich dir doch ein SMS geschickt: Daddy wäre auch froh um diese Information. Du hast Mama etwas geschrieben, und ich habs gesehen. Es wäre halt schön, wenn du mir auch mal schreibst.
Ist Ausgang ein Thema?
Sie: Nein, gar nicht.
Er: Ich wäre froh, wenn das ein Thema wäre. Ich weiss auch nicht, von wem sie das hat. Also bestimmt nicht von mir. Und Chantal war früher auch immer unterwegs.
Sie: Mein Fokus ist momentan ganz auf der Schule. Da muss ich viel Zeit investieren, und ich gebe Vollgas.